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Familiendatenbank Breslau-Gräbschen (Kaiserliches Kinderheim)
EinleitungBeim vorliegenden Ortsfamilienbuch handelt es sich nicht um ein Ortsfamilienbuch im klassischen Sinne. Vielmehr handelt es sich um eine Personendatenbank mit einer einzigen Quelle: die Aufnahmebücher des Kaiserlichen Kinderheims in Breslau-Gräbschen 1881-1922. Der Name "Kinderheim" ist irreführend insofern, dass es sich dabei nicht um ein Waisenhaus, sondern um eine Pflegeheim oder Versorgungshaus für mittellose, meist unverheiratete Mütter und deren neugeborene Kinder handelte - eine der allerersten Einrichtungen dieses Typus in Deutschland. Die genealogische Signifikanz dieser Quelle ist nicht zu unterschätzen - aus mehreren Gründen:
Insgesamt enthält das OFB Angaben zu 17.004 Personen, darunter ca. 3.520 Kindern. Geschichte des Kaiserlichen KinderheimsDas Kaiserliche Kinderheim in Breslau-Gräbschen wurde ursprünglich um 1870 von Henning als Villa erbaut und anlässlich der am 11.06.1879 stattgefundenen goldenen Hochzeit des damaligen preußischen Kaiserpaars - Wilhelm I. und Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach - als Kinderheim eingerichtet und 1882 eröffnet. Finanziert wurde das Kaiserliche Kinderheim durch Spenden und einen dedizierten Unterstützungsverein. Allerdings überstiegen die Ausgaben stets und in immer größerem Grade die Einnahmen des Kinderheims. Bereits 1914 wurde berichtet, dass eine baldige Schließung nur durch Aufnahme einer Hypothek auf das Gebäude abgewendet werden konnte. Die Hyperinflation der 1920er Jahre und die damit verbundenen finanziellen Schwierigkeiten brachten das Heim letztendlich Anfang 1922 zur Auflösung. Die letzte Mutter wurde am 23.02.1922 aus dem Heim entlassen. Das Gebäude ging ans Wohlfahrtsamt der Stadt Breslau über und bereits Ostern 1922 wurden die katholische Schule Gräbschen sowie eine Klasse der evangelischen Schule in das Gebäude verlegt. Ab 1925 diente es der Unterbringung und Verpflegung obdachloser Frauen. Gelegen war das Kaiserliche Kinderheim an der Dorfstraße 4 in Gräbschen, nach der Eingemeindung nach Breslau an der Gräbschener Straße 137 bzw. 147. Das Gebäude steht heute nicht mehr, auf dem Gelände befindet sich ein Schulgebäude (Przedszkole nr 94). ZweckZielsetzung des Kinderheims war es, "ein Säuglingsasyl zur temporären Obsorge der hilflosen legitimen und illegitimen Neugeborenen und Säuglinge mit ihren in materieller Nothlage befindlichen und noch arbeitsunfähigen Brustmüttern" bereitzustellen. Dies geschah vor dem Hintergrund der damals hohen zweistelligen Mortalitätsrate sowohl unehelicher Kinder, als auch Kindern in ähnlichen Einrichtungen und Pflegesystemen (z. B. Kostkindervereinen). Das Durchschnittsgewicht der Neugeborenen im Kinderheim lag wohl auch wegen der prekären Verhältnisse der Mütter oft weit unter dem Durchschnitt. Kinder und Mütter wurden daher gut verpflegt, um Kindern Lebenskraft zu geben und den Müttern die baldige Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Die Einrichtung diente aber auch erzieherischen bzw. sozialen Zwecken im Rahmen der damaligen Wertvorstellungen. Durch die gleichzeitige Aufnahme der Mütter und Kinder sollte die Mutter-Kind-Bindung gestärkt werden. Gleichzeitig wurden Mütter an Arbeitgeber - oft als Ammen für wohlhabende Schlesier - vermittelt, um ihnen ein ökonomisches Standbein zu verschaffen, die "Sünderinnen" moralisch zu rehabilitieren, und die baldige Wiedervereinigung von Mutter und Kind zu ermöglichen. Das Kinderheim leistete auch Pionierarbeit bei der Verbesserung der sonst oft katastrophalen hygienischen Verhältnisse in ähnlichen Einrichtungen. Um den Ausbruch von Infektionskrankheiten zu verhindern, wurden beispielsweise nur gesunde Personen mit Attest aufgenommen und im Krankheitsfall ans Hospital verwiesen. Beschreibung des Kinderheims"Einen hervorragenden Antheil an der richtigen Pflege und dem Gedeihen von Kind und Mutter hatten zum Theil die Salubrität der Wohnräume in der Villa des Kinderheims zu Gräbschen. Mitten im Garten gelegen, umfasst sie zwei Stockwerke; im unteren liegen die Schlafzimmer. In jedem Zimmer stehen 4 Betten für die Mütter, zur Seite der selben die für die zugehörigen Kinder. Das Bettgestell der Mutter besteht aus Eisen, enthält Strohmatraze, Auflegematraze aus Indiafaser nebst Keilkissen, Bettlaken, Unterlage, zwei wollene Zudecken. Die Bezüge sind blau und weiss carrirt. Jede Mutter hat Nachtjacke und Nachthaube. Die eisernen Kinderbettchen stehen auf Rollen und haben an den Seiten Gitter aus Drahtgeflecht, sie enthalten Strohsack, Strohsackkopfkissen, Federdeckbett und Kopfkissen mit farbigem Bezug, Steckkissen mit Rosshaarpolsterung von rothem Drell, Federdecke, Unterlage. Jedes Kind hat sein Jäckchen von Parchent, Hemdchen, Halstuch, Windeln, Windelflecke. Wickel sind nicht eingeführt und werden auch nicht geduldet, weil sie das Kind in seinen natürlichen Bewegungen und der Athmung beengen. Kein Kind darf im Schlafzimmer umgelegt, keine Windel dort aufbewahrt, getrocknet oder gewaschen werden. Es wurde mit aller Strenge hierauf gehalten, die Unterlassung dieser Massregel hatte im Bonner Versorgungshaus einst eine verheerende Epidemie von Brechdurchfall zur Folge. Die Mütter dürfen ihre Kinder nie zu sich ins Bett nehmen und haben dieselben allabendlich vor dem Schlafengehen noch einmal der Vorsteherin zu präsentiren. Neben den Schlafzimmern, deren Thüren Tag und Nacht zu einander geöffnet sind, befindet sich das Badezimmer für die Kinder mit completer Wickeltischeinrichtung. Daneben kommt das Spielzimmer, in dem sich auch die Mütter unter Tags aufhalten und beschäftigen, neben diesem das geräumige und freundliche Speisezimmer, und endlich ein grosser Reservesaal, in dem unter anderem auch die Besuche der Angehörigen angenommen werden. Die Luft der Binnenräume ist eine vortreffliche, Temperatur 16-17° R., die Fussböden der Zimmer sind mit Oelfarbe gestrichen." Inhalt des OrtsfamilienbuchsErfasst wurden alle in den Aufnahmebüchern 1881-1922 enthaltenen genealogisch relevanten Angaben zu den aufgenommenen Kindern, ihren Eltern, sowie den Eltern der Kindesmütter. Personen- und Ortsnamen wurden nach bestem Wissen korrigiert, Orte oft um Angaben zum Kreis ergänzt. Nicht erfasst wurden Daten zu Aufnahme und Entlassung, Krankheiten, Betragen und späteren Arbeitgebern der Mütter, sowie den genaueren Geburtsorten der Kinder (z. B. Allerheiligen-Hospital). Deswegen und weil die Datenlage viel Spielraum für Interpretation zulässt, ist es Lesern empfohlen, die Quellen für die Einträge selbst in Augenschein zu nehmen - siehe den nächsten Abschnitt. Aufgrund der geltenden deutschen Datenschutzbestimmungen werden manche der jüngeren Jahrgänge derzeit nicht angezeigt. Von Kindern jüngerer Jahrgänge sind die Eltern und Großeltern aber enthalten und es steht jedem frei, bei Interesse die relevanten Seiten der Aufnahmebücher nachzuschlagen. Benutzung des OrtsfamilienbuchsNotizenDie Notizen zu den Personen enthalten oft zusätzliche Informationen, die nicht als Ereignisse aufgenommen wurden. Dreh- und Angelpunkt ist hier das Aufnahmedatum ins Kinderheim, welches man in den Quellen nachsehen muss. Ist also bei einer Person in den Notizen "bereits verstorben" angegeben, so ist von einem Tod vor dem Aufnahmedatum der Kindesmutter auszugehen. Nachschlagen der QuelleBei jeder erfassten Person sind die archivalische Verzeichnungseinheit im Staatsarchiv Breslau und die Nummer des Scans angegeben. Dadurch ist es Interessenten ein Leichtes, die entsprechende Seite mithilfe der untenstehenden Tabelle aufzurufen. Die Aufnahmebücher sind komplett kostenfrei bei szukajwarchiwach.gov.pl einsehbar. Für den Zeitraum 1903-1911 liegen parallel geführte Duplikate vor. Dabei handelt es sich wohl um Schmierbücher, in denen Mütter zur Erstaufnahme registriert wurden. Diese haben in der Regel drei oder mehr Zeilen mit Einträgen und enthalten manchmal zusätzliche Details und auch einige Mütter, die letztendlich nicht oder nur einen Tag lang ins Kinderheim aufgenommen wurden. Diese werden in der Tabelle als Duplikat ausgewiesen.
Weiterführende SuchenIn Breslau sind bei der Suche nach den Kindesvätern zumindest im Zeitraum 1881-1907 die Klassensteuerrollen hilfreich, schließlich enthalten diese Angaben zu Geburtsort und -datum. Darüber hinaus kann natürlich auch eine Suche in den relevanten Zivilstandsregistern und Kirchenbüchern Breslaus weiterhelfen - siehe hier. Der Abschnitt zu den Breslauer Krankenanstalten ist hier besonders hervorzuheben, da viele der Mütter ihre Niederkunft in der Landes-Hebammen-Anstalt oder im Allerheiligen-Hospital hatten. Zudem finden sich für viele der Kinder im Zeitraum 1889-1913 hier die Geburtsurkunden. Ein weiterer guter Anlaufpunkt ist Ancestry, da die Seite sowohl indexierte Zivilstandsregister, als auch Militärkirchenbücher für Breslau besitzt. StatistikFür Statistiken verweise ich auf die entsprechende Seite im Genwiki. RückmeldungenDas vorliegende Ortsfamilienbuch wurde ohne persönliches Interesse erstellt. Keine mit mir verwandten Personen tauchen in der Datenbank auf. Dafür freue ich mich umso mehr, wenn das OFB Ihnen geholfen hat, tote Punkte in ihrem Stammbaum zu überwinden. Sind Sie durch das OFB mit Ihrer Forschung weitergekommen oder haben sie gar den Kindesvater durch DNA-Forschung bestätigen können? Dann schreiben Sie mir gerne einige Zeilen über die auf der rechten Seite angegebene E-Mail-Adresse. Sollten Sie Korrekturen für mich haben, nehme ich diese natürlich auch gerne entgegen. |
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Letzter Stand Familiendatenbank Breslau-Gräbschen (Kaiserliches Kinderheim): 16.03.2024 Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons - Namensnennung 4.0 International Lizenz |