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Ortsfamilienbuch Geradstetten (Remshalden)Der im alten Herzogtum / Königreich Württemberg zum Oberamt Schorndorf gehörende Ort Geradstetten ist mit seinen Filial Bauerberger Hof, Kerners- und Rollhof seit 1974 Teilort der Gemeinde Remshalden im Landkreis Rems-Murr, Baden-Württemberg. Der Ortskern dieses alten Weingärtnerdorfes liegt am Nordhang des Remstals. Die Namensendung ..stetten in Verbindung mit einem Personennamen lässt auf eine Ortsgründung zwischen dem 9. – 11. Jhdt. vermuten. Eine erste urkundliche Erwähnung des Ortes findet sich in einem Kaufvertag vom 8. Januar 1291 mit dem Graf Eberhard, der Durchlauchtige, der einen Hof in Schorndorf verkaufte. Einer der darin benannten Zeugen war Rufoni de Gerhartstetin, Alias dicto Wingarter (erste Erwähnung des Weinbaus). Bereits 70 Jahre später wird der Ortsname in weiteren Urkunden erwähnt. Der Ritter Bernold von Urbach stiftete am 18.Juli 1359 eine Messe auf dem ewigen Altar des heiligen Konrad zu Gerhardstetten, damals eine capella sita. Geradstetten hatte demnach in jener Zeit noch keine eigene Pfarrkirche, sondern war eine Filial der Parochie Winterbach, ohne Priester und eigenem Friedhof. Namenspatron der ersten Kapelle und der um 1491 fertiggestellten Kirche war der im Jahr 1123 heiliggesprochene Konrad, von 934 – 975 Bischof des Bistums Konstanz. In einem Brief vom 13. Dezember 1496 an den Bischof von Konstanz bitten Schultheiß und Gemeinde Geradstetten um eine eigenständige Pfarrei und die Loslösung von Winterbach. Da auch Herzog Eberhard II. (1447-1504) zustimmte und das Einkommen eines Pfarrers sichergestellt war, wurde dieser Bitte bereits 10 Wochen später stattgegeben. Ein Magister Jacobus war 1497 der erste Priester hier. Nach dem Ende des alten Herzogtums Schwaben erhielten die Adelsfamilien von Zillhardt, von Ebersberg und von Urbach Teile des Ortes als Lehen. Bekannt ist, dass diese, so auch Teile der von Zillhardt bereits um 1605 an Württemberg verkauft wurden. Zu Beginn der Kirchenbuchaufzeichnungen gehörten 2/3 der Markung zum Herzogtum. Der Rest war weiterhin Lehen der Familie Zillhardt, aus Dürnau im Landkreis Göppingen. Daher amtierten jeweils ein württembergischer und ein zillhardscher Schultheiß im Ort. Nach dem Aussterben des Geschlechtes der von Zillhardt wurde das Lehen 1687 vollständig an das Haus Württemberg verkauft. Bemerkenswert dabei ist, dass sich der Streit über die Bezahlung der 12.650 fl für diese Güter durch den Herzog über 100 Jahre hinzog. Nach der von Herzog Christoph von Württemberg (1515-1568) verordneten „Großen Kirchenordnung“ waren die Pfarrer verpflichtet alle Taufen, Heiraten und Beerdigungen in ein Buch einzuschreiben. Leider wurden die ersten Aufzeichnungen im 30jährigen Krieg 1638 beim Brand des Rathauses vollständig zerstört. Magister Jeremias Heinrich, gleichzeitig auch Pfarrer in Grunbach, begann 1649 ein neues Taufbuch. Jedoch erst am 18. August 1661 konnte Pfarrer Johann Brand die Fertigstellung des Neuen Renovierten Kirchenbuchs und Seelenregisters melden. Im Rechnungsbuch der Gemeinde wird dazu vermerkt: Den 29. Juli hat Herr Pfarrer eines jeden Bürgers Alter beschrieben, weilen kein altes Taufbuch vorhanden,[..].dem nach verrichteter Sache mit einem Trunk zugesprochen wurde. Von den ursprünglich etwa 600 Einwohnern hatten den Krieg und die Pest nur 58 Familien mit insgesamt 183 Seelen überlebt. Der Heimatforscher Hans Rilling (1922-2014) ließ das, in einem desolaten Zustand befindliche Älteste Kirchenbuch auf eigene Kosten renovieren und begann mit dessen Transkription. Dies war die Grundlage seiner zahlreichen Publikationen über die Geschichte Geradstettens und dessen Konradskirche. Er hatte dazu noch Zugriff auf die umfangreiche Datensammlungen zur Ortsgeschichte seiner Vorgänger Pfarrer Gottlob Heinrich Wittich und Ferdinand Drehmann, sowie des Oberlehrers Julius Seybold [Julius Seibold: Geschichte der Gebäude in Geradstetten, 1953]. Da Hans Rilling sein Ortsfamilienbuches leider nicht mehr vollenden konnte übernahmen 2015 Uwe Riegel sowie Hermann und Rosemarie Kull diese Aufgabe. Über nahezu 4 Jahre haben wir die insgesamt 17 verfilmten und digitalisierten Kirchenbücher des Landeskirchlichen Archivs Stuttgart transkribiert und bedanken uns insbesondere für die Unterstützung durch Herrn Michael Bing und Dr. Bertram Fink. Ergänzt wurden diese Daten durch die auf dem Pfarramt Geradstetten verbliebenen Dokumente. Die Ergebnisse wurden in die professionelle Genealogie-Datenbank „Gen-Pluswin“ eingetragen. Darin enthalten sind heute die Geburts-, Tauf-, Konfirmation-, Heirats- und Sterbedaten, sowie die jeweiligen Taufpaten. Im Verlauf der ca. 330 Jahren wurden dies über 22.000 einst in Geradstetten lebender Personen. Die von den Ortspfarrern angelegten und handschriftlich geführten Kirchenbücher waren bis zur Einführung der staatlichen Standesämter nach 1875 die einzigen amtlichen Personenregister und dienten zusätzlich noch als Melderegister sowie der Erfassung von Steuer- und Militärdienstpflichtigen. Im Kirchenbuch wurden sämtliche Ereignisse der evangelischen und in späteren Jahren auch der hier lebenden katholischen Bürger vermerkt. Erst mit Einführung der Zivilehe und der standesamtlichen Register verloren die KB im 20.Jhdt ihre Bedeutung. Bei der Erstellung dieses Ortsfamilienbuches (OFB) haben wir für die Personennamen überwiegend die heute gebräuchliche Schreibweisen benützt. Die Pfarrer, insbesondere zu Beginn der Aufzeichnungen, notierten die Namen meist phonetisch ohne die uns heute so selbstverständlich erscheinenden Schreibregeln. Dazu muss man auch bedenken, dass die Ausbildung der Familiennamen am Ende des Mittelealters oft noch nicht vollständig abgeschlossen war. So entwickelte sich z.B. der Familienname SIEGLE erst Mitte des 19. Jhdt. aus Sigelin - Siegelen. Eine Besonderheit in Geradstetten ist bis heute der Namen MAYERLE in der alten Schreibweise Mayerlin – Majerlen und die Abgrenzung zu MAYER -Majer -Maier. Für SEYBOLD – Seibold haben wir die hier gebräuchlichste Schreibweise gewählt. Am häufigsten vertreten sind jedoch die Familien BÄDER, LEDERER und PALMER. Viele der alten Namen wie z.B. Äckerle, Häselin, Thoni, Ziecker etc. kommen jedoch heute nicht mehr vor. Bei den Vornamen gibt es ebenso viele Varianten. Georg wurde oft als Georgius- Georgen -Jerg – Jörg- Jeorius, Johannes als Hans - Hannes sowie Matthäus als Matthis notiert. Das größte Problem ist jedoch für jede Transkription die Handschrift des jeweiligen Pfarrers. Es dauerte oft Stunden und Tage um sich in deren Eigenarten einzulesen und Veränderungen über die Jahrhunderte richtig zu verstehen. Für die Familienforscher wichtig sind auch die notierten Taufpaten. Damit lassen sich häufig die Verwandtschaften bei verwirrenden Wiederholungen gleicher Vornamen über Generationen, z.B. Johann Georg, Johann Friedrich etc. besser eingrenzen. Die Familiennamen LEDERER und PALMER sind schon für das 16. Jhdt. in Geradstetten nachgewiesen. In den KB sind die beiden württembergische Schultheißen Jacob und Hans PALMER Amtsträger zwischen 1660 und 1674. Danach folgen ab 1674 über 6 Generationen die Schultheißen aus der Familie LEDERER. Erst 1860 endete diese „Erbfolge“, da im Kgr.Württemberg nur noch gut ausgebildete Verwaltungsactuare dieses Amt ausüben durften. Ein besonderer Gruß geht an alle Leser, die auf der Suche nach ihren ausgewanderten Vorfahren sind. Nach vorsichtigen Berechnungen zogen im 19. Jahrhunderts über 500 Personen von hier auf der Suche nach einer besseren Zukunft in alle Welt. Zuerst waren es vor allem religiöse Gründe (Separatisten), nach 1817 jedoch überwiegend die wirtschaftliche Not. Die Ziele lagen meist in Osteuropa und Nordamerika. So gibt es fast keine Familie im Ort ohne Verwandtschaft in Amerika. Als Beispiel sei hier Johann Friedrich BALLIER (1815-1893) erwähnt. Der Nachfahre einer Waldenserfamilie aus Vaihingen/Enz arbeitete als Bäcker in Geradstetten und heiratete 1836 Eva Margarethe Haller von hier. Bereits 2 Jahre später wanderte die Familie mit ihrer einjährigen Tochter Magdalena nach Nordamerika aus. Im amerikanischen Bürgerkrieg kämpfte Ballier, wie viele andere deutsche Einwanderer, auf Seiten der Nordstaaten und brachte es bis zum General. Nach Kriegsende betrieb er bis zu seinem Tode, zusammen mit seiner zahlreichen Nachkommenschaft, eine gut besuchte Weinwirtschaft in Philadelphia. Die Zahl der „Wirtschaftsflüchtlinge“ verringerte sich erst mit dem Bau der Eisenbahn ab 1860 und den ersten Industrieansiedelungen im Remstal. Jetzt gab es erstmal Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft. Eine weitere erwähnenswerte Persönlichkeit war auch Dr. Ilse BEISSWANGER (1903-1985). Die Geradstettener Schultheißentochter wurde 1929 zur ersten Richterin in Württemberg am Amtsgericht in Stuttgart ernannt. Der geneigte Leser kann beim Studium dieses Buches noch viele solcher Details kennen lernen die von den Pfarrern in ihren KB festgehalten wurden. Trotz mehrfacher und sorgfältiger Korrektur sind im vorliegenden Werk sicherlich auch noch Fehler und unvollständige Angaben enthalten. Das Autorenteam bittet deshalb alle Leser um entsprechende Korrekturhinweise. Remshalden im Juni 2019 |
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Letzter Stand Ortsfamilienbuch Geradstetten (Remshalden): 26.04.2022 |